Im letzten Jahr mussten wir miterleben, was es hieß, an Dagnys Stelle eine andere Pressekoordinatorin zu haben, mit der wir uns erst einmal arrangieren müssen. Als also klar wurde, dass es dieses Mal schon wieder einen Neuen in der Runde gibt, waren wir zugleich hoffnungsvoll, dass es besser werden würde als im Vorjahr, zum anderen aber auch vorsichtig skeptisch.
Doch schon bei den Vorbereitungen und ersten Absprachen mit Timo Weißberg merkten wir, dass wir uns keine Sorgen hätten machen müssen.
Nach einer Hetzjagd aus dem HKW zum Potsdamer Platz haben wir ihn in einer ruhigen Minute im Hyatt ein bisschen über seinen Job ausgefragt.
fGR: Puh, wir sind noch ganz außer Atem. Dabei haben wir uns fast schon gedacht, dass du hier gerade ganz entspannt bist und unser leichtes Zuspätkommen gar nicht so schlimm findest.
Timo: Das stimmt, jetzt gerade ist es recht entspannt. Ab morgen zieht es dann wieder an mit den Preisverleihungen, aber momentan geht es noch.
fGR: Erzähl mal, wie bist du überhaupt zu Generation gekommen? Hast du schon einmal bei der Berlinale gearbeitet oder ist das eine komplett neue Erfahrung für dich?
Timo: Ich komme aus Berlin und bin quasi mit Generation aufgewachsen, als es noch Kinderfilmfest hieß. Das war sozusagen meine Kinosozialisation. Ich hab dann hier in Berlin Philosophie und Geisteswissenschaften studiert. Nach dem Master hab ich auch schon im Gropius-Bau gearbeitet, also unter der Fittiche der KBB sozusagen, die ja auch die Berlinale trägt. Im Anschluss bin ich erstmal nach Frankfurt gegangen, um ein Pressevolontariat an der Kunsthalle Schirn anzutreten. Das ging etwa zwei Jahre, war also meine nachuniversitäre Ausbildung. Dann habe ich zehn Monate für die Documenta 14 in Kassel und Athen gearbeitet und mit einer Kollegin die deutsche Presse verantwortet. Zwar nicht im Filmkontext, der ist hier jetzt für mich neu, aber die Grundlagen der Pressearbeit sind ja überall ähnlich, deswegen hat sich das ganz gut ergeben. Ich habe mich dann ganz regulär auf diese Stelle beworben und nach einem tollen Vorstellungsgespräch wurde recht schnell klar, dass das hier eine tolle Sache wird.
Zwischen Documenta und Berlinale hatte ich einen Monat frei, das war als Pause auch mal nötig. Das war wirklich Wahnsinnsarbeit.
fGR: Und wie geht die Vorbereitung auf die Berlinale los?
Timo: Ich habe mich tatsächlich erst einmal mit meiner Vorgängerin auseinandergesetzt. Also mit der, die das hier länger gemacht hat.
fGR: Mit Dagny?
Timo: Genau, wollte ich gerade sagen, die dürftet ihr ja kennen. Dann habe ich mich noch mit anderen Pressekoordinatoren aus anderen Sektionen getroffen, die das Ganze schon länger machen und mir sagen konnten, an wen man sich für was wenden muss. Die Berlinale ist schließlich ein großer Apparat mit vielen Leuten, da ist die Arbeitsteilung schon sehr kleinteilig.
Das war im Dezember. Kurz vor Weihnachten haben wir die ersten Pressemitteilungen rausgegeben. Ich habe also im Dezember noch relativ viele Filme geguckt, das war auf jeden Fall schonmal ein sehr schöner Teil. Teilweise lagen die kleinen Texte dazu schon vor, teilweise musste ich die dann dazu schreiben.
fGR: Ach, also bist
du dafür verantwortlich!
Timo: (lacht) ja, das bin ich wohl. Das war natürlich im Austausch mit unserem Programmbüro, die uns immer wieder Hinweise gegeben haben. Auch was den Stil angeht, der in bestimmten Sektionen der Berlinale gepflegt wird.
Im Januar ging es mit der Vorbereitung der zweiten Pressemeldung los. Da fragen die ersten Journalisten dann auch schon nach online Sichtungsmöglichkeiten, um sich auf das Programm vorzubereiten. Es müssen viele Listen erstellt werden - davon kann meine Praktikantin auch ein Lied singen. Ihr habt ja zum Beispiel auch von mir die Liste mit den Presseagenten bekommen. Das ist noch so eine Sache. Man sammelt die letzten Materialien der Filmteams ein, Filmausschnitte für TV-Beiträge etc.. Außerdem gilt die Empfehlung an jedes Filmteam, sich für größtmögliche Aufmerksamkeit einen Presseagenten zuzulegen. Wir können ja nicht jeden Film selbst promoten. Das machen die meisten inzwischen auch.
Darauf folgen die ersten Anfragen, wann die Filmteams in der Stadt sein werden, und wir sprechen uns gut mit dem Guest Management ab. Man kommuniziert viel mit den bereits feststehenden Presseagenten. Dann muss man hier und da noch ein wenig Druck machen. Das gehört auch dazu, schließlich sind viele Filme kurz vorher noch in der Postproduktion. Bei Supa Modo waren die beispielsweise noch eine Woche vorher in der Farbkorrektur. Das ist natürlich sehr auf Kante genäht, aber bei so vielen Weltpremieren ist das ja vorprogrammiert. Die Zusammenarbeit funktioniert aber super und alle helfen sich gegenseitig. Da wird dann immer ein bisschen nachgebohrt bei denjenigen, die nicht ganz pünktlich sind, und dann klappt das auch.
fGR: Und wo treibst du dich während der Berlinale herum? Kommst du viel zum Filmegucken oder bist du eher weiterhin mit der Kommunikation mit den Filmteams beschäftigt?
Timo: Wir sind definitiv viel mit den Filmteams beschäftigt. Eigentlich haben wir ja in der Glasspitze unsere Büros, da habe auch ich noch von Dezember bis letzten Dienstag gesessen. Jetzt sitzen wir hier im Pressezentrum im Hyatt, da kommen auch viele Journalisten, Filmemacher, PR-Agenten direkt zu uns und man kann Sachen face-to-face klären. Dann machen wir manchmal sogenannte Protokoll-Meetings, in denen wir klären, wie wir die Premiere bestmöglich gestalten, auch was das Aufstellen für gute Fotos angeht. Außerdem werden nach den Q&As die Interviews eingetaktet. Da sind dann auch immer unsere Kinobetreuer dabei. Mit denen gucken wir auch, wer aus dem Filmteam überhaupt letztendlich in der Stadt ist, da kommt es auch immer noch spontan zu Absagen, falls beispielsweise etwas terminlich oder mit einem Visum nicht geklappt hat. Die ist unser Guest Management immer gut beschäftigt, auch mit den Botschaften.
Ach, und zu der Frage, wo ich mich so herumtreibe. Hier am Potsdamer Platz ist unsere Base. Hier beantworte ich vor allem Emails und nehme Telefonate entgegen. Man kommt aber auch viel zu den Interview dazu, um die Leute einander vorzustellen. Zur Not schaltet man da noch das Guest Management ein, aber ich habe schon versucht, zu allen Premieren der Filme da zu sein, die keinen PR-Agenten haben.
Zum Filmegucken komme ich leider nicht so. Zeit hätte ich dafür höchstens vormittags und selbst da würde ich glaub ich eher wie auf heißen Kohlen sitzen und alle fünf Minuten auf mein Handy gucken, um nichts Wichtiges zu verpassen.
fGR: Vermisst du das? Vor allem als ehemaliger Berlinalezuschauer?
Timo: Wir haben nach der Berlinale als Mitarbeiter nochmal die Möglichkeit, zu kleineren Screenings zu gehen, aus genau diesem Grund. Aber es ist natürlich eine andere Atmosphäre, wenn man mit dem Publikum im Kino sitzt. Ich habe das aber dieses Jahr nicht soo sehr vermisst. Dadurch, dass ich für Generation die Filme zuhause vorsichten konnte. Die Atmosphäre fehlt dann zwar, aber man erlebt sie ja doch auf eine andere Art und Weise und auch sehr intesiv.
fGR: Hattest du schon ein Highlight dieses Jahr? Und welche Arbeitsphase gefällt dir am besten?
Timo: Die einzelnen Phasen waren alle spannend. Aber man merkt, dass wenn der Potsdamer Platz sich langsam belebt, die ersten Plakate hängen, sprich das Festival sich nähert und man die Leute endlich kennenlernt, mit denen man vorher so viel geschrieben und telefoniert hat, dann ist das das Schönste. Bei so etwas wie unserem Empfang am Montagabend mit anschließender Generationparty ist es wirklich fantastisch, alle mal auf einem Haufen zu sehen.
fGR: Hast du denn schon einen heißen Favoriten?
Timo: Da halten wir uns natürlich sehr zurück (zwinkert). Spaß beiseite, wir haben wieder ein wirklich tolles Programm, da kann ich einfach mal ein paar rausgreifen. Kissing Candice ist ein toller Film. Ästhetisch und musikalisch großartig, einer der Filme, die mir auch im Gedächtnis bleiben werden. Virus Tropical ebenfalls stark gemacht. Güvercin - ein sehr sensibles Portrait dieses jungen Mannes. Die Atmosphäre ist wunderbar eingefangen. Natürlich ist es auch eine tragische Geschichte, wie so häufig bei uns im Programm der Fall.
Im KPlus Programm definitiv Supa Modo. Obwohl der auch die schwierigen Seiten des Lebens beleuchtet, ist er wahnsinnig positiv. Am Ende kam bei der Premiere ja auch die Frage, warum die Protagonistin denn sterben musste, und ich persönlich habe das, wie der Drehbuchautor auch meinte, nicht als schlechtes Ende empfunden, sondern einfach sehr realistisch und ehrlich, fast schon ein Happy End. Auch eines meiner Highlights.
fGR: Wie ist das denn unter der Woche - weißt du jeden Tag, was dich erwartet, oder läuft alles eher spontan ab?
Timo: Es gibt viele eingetaktete Termine - Interviews und Premieren stehen schon fest, klar. Aber man bekommt schon zwischendurch immer wieder mal einen Anruf, dass jemand doch noch irgendwen interviewen möchte, dann versucht man eben, das zu ermöglichen. Dann fährt man mal eben zum Zoopalast und bringt die beiden zusammen. Ich würde sagen, das ist 50:50, es kommen immer spontane Dinge dazwischen, bei denen man schnell reagieren muss und sollte. Man versteht sich ja schon als Vermittler zwischen den Leuten die „Kunst machen“ und den Leuten, die das an die Öffentlichkeit tragen wollen, wie ihr zum Beispiel.
Unsere Sektionsleitung ist jetzt auch krank geworden und möchte zur Preisverleihung wieder gesund sein, da müssen auch mal Interviews verschoben werden. Aber vor allem dafür, dass das meine erste Berlinale war, lief alles bisher sehr gut. Die Kommunikation und Pressearbeit macht mir eben auch viel Spaß.
Ich würde das auch gerne im nächsten Jahr nochmal machen und hoffe, in der Zwischenzeit in Berlin bleiben zu können.
fGR: Fährst du auch schön mit dem Fahrrad überallhin?
Timo: (lacht) Gute Frage. Ich fahre eigentlich sehr gern und viel Fahrrad, bin letztendlich aber eine echte Frostbeule und habe letztens meine Handschuhe verloren - großes Drama. Deshalb bin ich während des Festivals nicht so viel gefahren. Das geht auch ganz gut, da hier am Potsdamer Platz der Hauptsitz ist und die Kinos auch ganz gut zu erreichen sind. Zum HKW ist man in einer Viertelstunde rübergelaufen. Ich bin also viel gelaufen. Beim Festival sitzt man eben nicht nur rum und hütet das Büro.
fGR: Kannst du auch schon ein Fazit ziehen, ob alles so ist, wie du es dir vorgestellt hast?
Timo: Mit den Interviews hat eigentlich alles geklappt. Die Feedbacks von den Filmemachern, die ich bisher bekommen habe, waren positiv bis überschwänglich, das erfreut natürlich zusätzlich. Wenn ich jetzt ein Fazit ziehen müsste, wäre es tatsächlich fast zu 100% positiv.
fGR: Und wenn du die Filmteams für Interview anfragst, wollen die dann auch unbedingt welche geben oder gab es auch ein paar, die eher meinten „Nee, lass mal“?
Timo: Die wollen unbedingt! Wir fragen natürlich immer erstmal, bevor wir ein Interview zusagen, und ich habe noch nie eine Antwort bekommen „Das geht jetzt aber nicht“ oder „Da habe ich keine Lust drauf“. Eher ganz viel „Yeaaah! Absolutely!“
Wir hatten nur einmal ein Problem. Da hatten wir eine Anfrage von der BBC für einen unserer iranischen Filme. Das ist ein sehr sensibles Thema, weil bei so großen Medien die staatlichen Zensurstellen ein starkes Auge drauf haben. Da gab es dann schon einmal das Problem nach einem Interview mit der BBC, dass die wieder eingereist sind und ihnen die Pässe abgenommen wurden. Deswegen muss man manchmal sagen: Okay, kleinere Sachen sind in Ordnung, aber so etwas können wir nicht bedienen.
fGR: Hast du schon eine Idee, wo du nach der Berlinale Unterkommst? Mit so viel viel Leerlauf muss man sich ja auch nach etwas anderem umgucken.
Timo: (lacht) sollte man. Ich bin auch nicht gut darin, längere Zeit tätigkeitslos herumzusitzen. Es gibt viele temporäre Kulturveranstaltungen, auch von der KBB selbst. Da hoffe ich noch unterzukommen. Ich werde mich auf verschiedene Sachen bewerben. Wenn es etwas Längerfristiges wird, muss ich gucken, ob ich diesen Job zwischenzeitlich einbauen kann. Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das also noch nicht so genau sagen, es bleibt aber auf jeden Fall spannend.
fGR: Was passiert nach der Berlinale noch?
Timo: Es gibt noch ein wenig Nachbereitungszeit bis etwas Mitte März. Da gibt es vor allem Nachbesprechungen. Die Hauptarbeit macht dann das Erstellen der Pressespiegel aus. Wir clippen während des Festivals schon alles, was irgendwie läuft. Dafür haben wir ja auch eine Clipping- bzw. Pressespiegel-Abteilung, die die Gesamtberlinale clippt. Da ziehen wir uns als Generation aber ein bisschen raus und schauen selbst nochmal drüber. Von vielen Journalisten bekommen wir ja auch direkt die Belegexemplare gesendet.
Damit beschäftigen wir uns dann hauptsächlich.
Nach dem Festival ist das auch ganz nett zum Herunterkommen. Dann sieht man auch, was eigentlich für Artikel erschienen sind, was wir für Presse gehabt haben. Das meiste kriegen wir zwar am Rande irgendwie mit, aber man hat nie die Zeit, sich schon während des Festivals hinzusetzen und alles durchzulesen.
fGR: Bei wie viel Kaffee bist du am Tag?
Timo: Das schwankt ein bisschen. Wir haben hier ja auch diese tolle Espressomaschine. Sobald ich ins Büro komme, trinke ich einen, und im Laufe des Tages können es schonmal vier Stück werden. Viel mehr aber auch nicht. Sonst werde ich auch zu hibblig. Ich habe eh schon den Hang, schnell zu reden, und bei zu viel Kaffee gibt es dann kein Halten mehr.
Johanna: Das ist mir gestern erst passiert. Ich kam dann nicht mal mehr zum Kaffee trinken!
Timo: (lacht) so geht es mir dann genauso.
Johanna: Schlafen kann man ja aber auch danach machen, oder?
Timo: Auf jeden Fall. Schlafen kommt danach. Das ist bei mir auch fest für den März eingeplant. Gestern bin ich aber mal früher gegangen, da habe ich mich 7 Stunden schon eine gute Mütze Schlaf gekriegt und jetzt geht es wieder.
fGR: Wann musst du denn immer hier sein?
Timo: Wir öffnen hier um 9.00 Uhr, aber wir haben ja an der Rezeption die Leute, die den Erstkontakt mit den Journalistinnen und Journalisten pflegen. In den ersten Tagen waren wir dann aber auch selbst gegen 9 Uhr da. Ich hatte häufig so früh schon einen Termin und wenn um 10 Uhr Premiere im HKW ist, ist man eben Viertel nach Neun da für die Vorbesprechungen und Treffen mit den Filmteams.
fGR: Und was ist das Letzte, das du am Tag tust?
Timo: Nachmittags sind wir hier immer für ein paar Stunden, aber dann geht es meist rüber ins HKW zu den Abendpremieren. Dann passt man auf, bis alle im Kino sind, und setzt sich dann in die Lounge und quatscht mit Kollegen - eine kleine Verschnaufpause sozusagen. Dann wartet man, bis die Q&As vorbei sind. Manchmal setze ich mich da noch mit rein oder auch direkt in den ganzen Film, weil die wie gesagt auf der großen Leinwand immer nochmal anders wirken, zum Beispiel bei Unicornio. Danach hat man meistens noch etwas zu koordinieren und geht im Anschluss auf irgendeine Party oder aus dem HKW nach Hause. Meist ist das HKW unsere letzte Station des Tages.
Wir unterhalten uns noch etwas über die Qualität der Sitze in den unterschiedlichen Kinos und über unsere weiteren Pläne für den laufenden Tag, dann bedanken und verabschieden wir uns bei Timo, holen uns einen weiteren Kaffee und brechen auf zum HKW.
04.03.2018, Johanna Gosten