Rote Fäden der Kindheit

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Ist Kindheit überall identisch, kann man Kindheit für alle gleich definieren? Ganz gewiss nicht: mit den Kurzfilmen 2 in KPlus bekommt das Publikum sechs Kurzfilme aus sechs verschiedenen Ländern zu sehen, die uns ganz individuelle Einblicke in die Kindheit unterschiedlicher Kulturen oder Schichten gibt.

Yover
Yover steht morgens auf, setzt sich auf sein Lastenrad um Lebensmittel und andere Dinge an Bewohner des Dorfes auszutragen. Der Film begleitet den Jungen einen Tag lang von morgens bis abends und gibt einen Einblick in den Alltag in einem kleinen kolumbianischen Dorf. Durch viele schöne Einstellungen kann man das Dorf am Regenwald bewundern, und auch wenn Cover inhaltstechnisch nicht sehr ausgeweitet ist, genießt man die 14 Minuten, in denen man in die Rolle eines Kindes in kolumbianischer Kultur schlüpfen kann.

Trois rêves de ma jeunesse
Ohne viele Worte folgt man einem Mädchen, das durch malerische Bilder Rumäniens streift. Sie schlendert über Märkte, durch Felder oder steigt einfach in einen Zug. Der Film wirkt genau so verträumt wie die junge Protagonistin, sowohl durch wunderschöne Farben, Geräusche und Nahaufnahmen bekommt man Eindrücke aus dem Leben eines Kindes, das die Welt erkundet. Auch hier ist eine Handlung nicht wirklich vorhanden, aber der Film verzaubert durch seiner Verträumtheit und zieht die Zuschauer in diesen zwölfminütigen Bann.

Tråderr
Mit niedlicher Animation erzählt die norwegisch-kanadische Produktion von der Verbundenheit zwischen Mutter und Kind, die durch einen roten Faden visualisiert wird. Von der Geburt, durch die Pubertät bis hin ins Erwachsene zeichnet der Film die Entwicklung der Mutter-Kind Beziehung und lässt dem Publikum mit der leichten Erzählweise ohne Sprache das Herz aufgehen.




The collection of shortfilms 2 in the K-Plus Section tells six different stories of childhood in different cultures and countries.

Yover
Yover gets up in the morning, takes his bike and deliver things villagers. The film accompanies the boy for a whole day from morning to evening and gives an insight into everyday life in a small Colombian village. With many beautiful settings, you can admire a little town near the rainforest, and even if "Yover" hasn't a big plot you can enjoy slipping into the role of a child in Colombian culture.

Trois rêves de ma jeunesse
Without many words we follow a girl who walks through beautiful pictures of Romania. She strolls over markets, through fields or gets on a train. The film is just as dreamy as the young protagonist and with beautiful colours, sounds and close-ups it gives you an impression of the life of a child exploring the world. There is no huge plot here either, but the movie enchants the viewer with its dreaminess and draws the audience into this twelve-minute spell.

Tråderr
With cute animation, the Norwegian-Canadian production tells of the bond between mother and child, which is visualized by a red thread. From birth, through puberty to adulthood, the film traces the development of the mother-child relationship and makes the audiences hearts arise with an easy way of narration without language.

25.02.2018, Clara Bahrs

Zwischen Gesellschaftskritik und Zensur

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Interview mit dem Filmteam von "Hendi va Hormoz"

Nach der letzten 14-Plus Premiere von „Hendi & Hormoz“ am Donnerstagabend hatten Liv und ich am Freitagvormittag die Möglichkeit das Filmteam auf ein Interview am Zoopalast zu treffen. Wir betreten die Zoolounge, in der im Hintergrund leise Jazzmusik läuft und werden freundlich von der Generation Gästebetreuerin empfangen und zum Filmteam geführt. Alle begrüßen sich gegenseitig, neben dem Regisseuren Abbas Amini ist noch die künstlerische Leiterin des Filmes da, außerdem zwei weitere Frauen, die wohl nicht direkt zum Filmteam gehören, wovon sich eine allerdings als Schwester des Regisseuren herausstellt. Schnell sehen wir, dass wir ein kleines Kommunikationsproblem haben werden, da niemand von uns Farsi oder Französisch spricht und sich niemand so wirklich zutraut, das Interview nur auf Englisch zu führen. Wir überlegen kurz alle zusammen, ob wir versuchen durch eine Handysoftware die Antworten des Teams übersetzten zu lassen, aber da wir auch auf den Produzenten warten können und wir alle Zeit haben, sitzen wir noch ein bisschen in der Zoolounge und trinken Tee. Dann kommt auch schon der Produzent Pouria Heidary Oureh und wir können beginnen.

freie Generation Reporter: Vor zwei Jahren waren Sie mit „Valderrama“ bei der Berlinale und jetzt mit „Hendi va Hormoz“ - beide Filme erzählen von jungen Menschen, die versuchen ein besseres Leben zu haben. Ist das ein Thema, zu dem sie persönliche Erfahrung haben?
Abbas Amini: Nicht aus meinem eigenen Leben, aber da ich mit und für Kinder arbeite, die aus keinen guten Lebensverhältnissen kommen, bekomme ich dadurch viele Einblicke und möchte diese Schicksale erzählen.

fGR: Der Film spielt auf der Insel Hormuz, wie war es dort zu drehen? Wie haben Sie die Schauspieler gefunden und spiegelt der Film ein realistisches Bild der Situation auf der Insel wider?
AA: Normalerweise werden auf Hormuz nur Werbefilme gedreht, da die Natur sehr schön ist, ich glaube vor unserem gab es noch keinen fiktionalen Film, der dort gedreht wurden. Wir haben während des Drehs auf der Insel mit den Menschen zusammengelebt und ich habe Bürger der Insel gesucht, die im Film genau das spielen, was sie auch in der Realität machen. Daher ist alles, was man im Film sieht, real - vor allem die Probleme wie Arbeitslosigkeit ist auf Hormuz ein sehr aktuelles Thema.

fGR: Mit Ihrem Film kritisieren Sie unter Anderem die Situation der Eheschließung im Iran. Wie wird das von der Gesellschaft gesehen, wird es akzeptiert, seine Kinder so früh zu verheiraten?

Das Team diskutiert etwas länger über die Frage und auch die beiden Frauen, die mit am Tisch sitzen, tragen viel dazu bei.
AA: In Großstädten ist es nicht angesehen, seine Kinder in so einem jungen Alter zu verheiraten, da die Menschen mehr Aufklärung darüber besitzen. In kleineren Orten wie Hormuz allerdings kommt es öfter vor, dass junge Mädchen heiraten oder schwanger werden, weil die Aufklärung fehlt. Und das ist es, was wir mit dem Film machen wollen: Die Menschen aus solchen Orten über die Folgen aufzuklären.

fGR: Der Film wird also auch im Iran gezeigt?
AA: Ja! Als Filmemacher, die sich mit sozialkritischen Themen befassen, haben wir im Laufe der Zeit gelernt, Filme so zu gestalten, dass wir unsere Aussage zeigen können, ohne Richtlinien zu überschreiten. Außerdem sagt der Produzent selbst auch noch etwas: Wir haben eine strenge Zensur im Iran; bevor man einen Film machen will, muss das Drehbuch von dem Staat akzeptiert werden. Kussszenen oder Ähnliches werden generell zensiert, deswegen muss man sich bei solchen Dingen immer andere Wege ausdenken, das Gewollte zu vermitteln.

Wir finden alle, dass das im Film sehr gut funktioniert hat und reden ein wenig über die Szenen, in denen die Zuschauer ihre Phantasie einsetzen müssen.

fGR: Sie benutzen sehr starke und viele Farben im Film und das steht im Kontrast zu der Traurigkeit der Geschichte. Ist das Absicht?
AA: Ja. Auf Hormuz gibt es mit der Natur so viel Schönheit, wir wollten daher mit dem Film zeigen, dass es trotz dessen traurige Schicksale geben kann.
Die künstlerische Leiterin erzählt uns außerdem von der Tatsache, dass viele trotz einer schmutzigen Arbeit oder einem ärmlichen Leben sehr farbenfrohe und schöne Kleider tragen, um dies damit zu überblenden. Dieser Konflikt sei auch eines der Hauptintentionen für den Film gewesen.

fGR: Sie haben außerdem sehr viel mit dem rot des Hämatits gearbeitet - steckt hinter der Farbe noch mehr Bedeutung?
AA: Man findet auf Hormuz viele verschiedene Farben, aber wir fanden den roten Staub von Hämatit sehr aussagekräftig. Außerdem wollten wir mit dem roten Wasser am Ende die vielen Tode durch dieses symbolisieren. Es wäre unglaublich schwer für uns im Iran gewesen, die Sachen durch die Farben so auf die Leinwand zu bringen, deswegen möchten wir uns unbedingt bei den Leuten der Postproduktion - unserer Co-Produktion MagicLab - bedanken. Durch die Postproduktion ist der Film erst zu dem geworden, was er jetzt ist!


Wir reden noch ein bisschen über die Wirkung der Farben und die Postproduktion allgemein, bis die Zeit von allen auch langsam zu Ende geht. Natürlich bedanken wir uns ganz herzlich für die lange Zeit und die wirklich ehrlichen Antworten, aber auch das Filmteam ist dankbar für das Interview und will uns sogar noch Filmclips und Fotos schicken, die wir verwenden können. Dann verabschieden wir uns und eilen auch schleunigst zum nächsten Film - allerdings nicht ohne noch einmal die ganzen Einblicke und Anstöße durchzugehen, die wir durch das Interview über die Schwierigkeiten und Abläufe einer iranischen Filmproduktion bekommen haben.



About Critic Without Censoring


An interview with the film crew of "Hendi va Hormoz"

Friday we had the chance to meet the film crew of "Hendi va Hormuz" to have an interview with them. When we entered the ZOO-Lounge the guests responsible takes us to the crew. Beside the director Abbas Amini there are also the art director and two other women, later we hear that one of them is the directors sister. Quickly we notice that there will be a communication problem, because none of us speaks Farsi or French and no one really dare themselves to do the interview only in English. We think about maybe starting the interview with a translating software, but the producer Pouria Heidary Oureh was also on his way so we just wait. 15 minutes and a tee later we can finally start.

free generation reporter: With your Film "Valderrama" two years ago and „Hendi va Hormoz“ you show two stories of young people reaching for a better life - is this a topic you have personal experiences with?
Abbas Amini: Not from my own life, but i’m working with and for children who haven’t such an easy life, so I get the ideas for films of the life experiences of these children, which I want to bring to the world.

fGR: You filmed on the island Hormuz, how was it to shoot there? How did you find the actors and are the stories you showed in the film also problems in real life?
AA: Usually only advertisement movies are filmed on Hormuz because of the beauty, so I think there were no fictional movies filmed before. I tried to cast people who actually did the job in real life, so they live all on the island and doing the job they do in the film. So all the things we showed are real, there are many problems like on Hormuz like the unemployment, there live only around two thousand people but there isn’t enough work.

fGR: You also criticised the situation of marriage with the film. Is it accepted in the iranien society to get married and pregnant so early?

They discuss the question a little longer also the two woman who haven’t said something before comment something.

AA: In big cities where the people have more education in general the society don’t like children to get married so young. But in small places like Hormuz nobody think it's bad thing to marry their children with thirteen, because they don't have enough education about it. And that is what we want to do with the film, to inform the people from such small cities about issues that could happen.

fGR: So the film will be shown in Iran?
AA: Yes! As social issue filmmakers we learned through the time to make films in a way in which you can say the things you want to say but don’t cross any lines.
Pouria Heidary Oureh: We have a really strict censoring in Iran, before you produce a movie you have to show the script to the government and they have to accept it. Kissing or touching scenes aren’t allowed in Iran in general so you have to find always another way to express them and get the viewers unterstand.

We both think that it worked very well in the movie and talk a little about the scenes the viewers had to use their imagination.

fGR: You use very bright colours in the film and that stands a in a contrast to the sad story - is that with purpose?
AA: Yes. As you said there is so much beauty on this island and i wanted to show with the film that even with so much beauty and also the colourful closes the people wear there can be so much sadness.
Also the art director tells us that one of the main conflicts they wanted to show is that although people are poor and have a very dirty job they wear this beautiful clothes to hide it.

fGR: And you work also much with the red colour of the the hematite - is there more meaning behind it?
AA: You can find different strong colours on the island, but we thought the red has most meaning and we chose the red coloured water at the end to show how many people died there. Actually it would have been very difficult for us to get all the things with the colours on the screen so we want to really thank the people who did the post production for us - our co-production MagicLab - they helped us so much with popping up those beautiful colours to do the movie as it is now.

We talk a little longer about the postproduction and colours, but slowly the time is coming to the end and we thank the film crew for their long time and the really honest answers. But also the crew is very thankful and offers us to send filmclips and pictures we could use. After it we are leaving the Zoopalast with our minds on the interesting insight we got about a critical film production in Iran.


25.02.2018, Clara Bahrs

Kurzfilmrolle 2

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Paper Crane
Das Portemonnaie ihres Vaters verstecken. Mit dem Ball der Nachbarskinder spielen. Es gibt so viele Dinge, mit denen Sora versucht, ihrem Leben Freude und Abwechslung zu bieten. Denn alles, was ihre Eltern und Großmutter von ihr wollen und schätzen, sind gute Schulnoten und ihre Violinenfertigkeiten. Zu ihrem Geburtstag sind nicht einmal Freunde eingeladen.
Paper Crane berichtet von den unerhörten Wünschen eines Mädchens, das keine richtige Kindheit zu haben scheint. Mit vielen Nahaufnahmen und Standbildern von Gegenständen ihrer Sehnsucht zeichnet Tarumi Kawakami das trostlose Bild von Sora, die sich nichts sehnlicher wünscht, als eine normale Kindheit.

Fire in Cardbord City
Das finale Feuerwerk der Kurzfilmrolle 2 von KPlus. In einer Stadt, die aus Pappkartons gebastelt ist, bricht ein Feuer aus und selbst die stadteigene Feuerwehr verfällt in Panik. Schreiend versuchen sie, das Feuer zu bändigen, machen es jedoch mit Wasserstrahlen aus Pappe, die umgehend selbst Feuer fangen, nur noch schlimmer.
In neun Minuten wird der Kinosaal herzlich zum Lachen gebracht. Ein Kurzfilm, der aus der traurigen Stimmung reißt, in die man nach so manchem Berlinalefilm gerne mal verfällt. Ein dramatisches Stück Action, wie man es aus Kindertagen kennt, als man sich selbst noch Geschichten für die eigenen Spielfiguren ausdachte.

JaalgediDer Gewinner des Geldpreises der Internationalen Jury hat sich diese Auszeichnung wahrlich verdient. Hoch in den Bergen Nepals wird die Protagonistin in ihrem Alltag begleitet. Während die Jungs in die Schule dürfen, müssen die Mädchen die Kühe und Ochsen hüten. Sowohl Bildung als auch Zeit zum Spielen bleibt ihnen in ihrem jungen Alter verwehrt. Ein weißer Besucher im Ort ist eine Sensation. Auf sensible Art und Weise wird das Landleben in Nepal eingefangen. Liv fühlte sich direkt an ihre Zeit in Nepal zurückversetzt und auch ich selbst hatte den Eindruck, mit vor Ort zu sein. Es muss nicht viel gesprochen werden, um die Handlung klar zu machen. Jaalgedis kindliche Naivität wird eingefangen, als sie mit einem gefundenen Strohhalm spielt und die ihr auferlegten Pflichten vernachlässigt. Ein kompaktes Portrait eines Mädchens, das sich ihre Neugierde nicht nehmen lassen möchte.

25.02.2018, Johanna Gosten



short film reel 2


Paper Crane
Hiding her father's wallet. Playing with the ball of the neighboring children. There are so many things with which Sora tries to offer her life joy and variety. Because all her parents and grandmother want and appreciate is good school marks and her violin skills. Not even friends are invited to her birthday.
Paper Crane reports on the unheard desires of a girl who seems to have no real childhood. With many close-ups and stills of objects of her longing, Tarumi Kawakami draws the desolate picture of Sora, who desires nothing more than playing outside with her friends.

Fire in Cardbord City
The final fireworks of the short film reel 2 of KPlus. A fire breaks out in a city made of cardboard boxes and even the city's own fire brigade panics. They screamingly try to tame the fire, but make it worse with water jets of cardboard, which immediately catch fire themselves. In nine minutes, the cinema hall is made to laugh heartily. A short film that takes you out of the sad mood in which many Berlinale films leave you. A dramatic piece of action as you know it from childhood, when you thought up your own stories for your own game characters.

Jaalgedi

The winner of the International Jury's monetary prize truly deserves this award. High up in the mountains of Nepal, the protagonist is accompanied in her everyday life. While the boys are allowed to go to school, the girls have to herd the cows and bulls. They are denied both education and time to play at their young age. A white visitor in town is a sensation. Country life in Nepal is sensitively captured. Liv felt directly taken back to her time in Nepal and I myself had the impression to be there in person. There is not much to be said to clarify the plot. Jaalgedi's childlike naivety is captured as she plays with a found straw and neglects the duties imposed on her. A compact portrait of a girl who doesn't want to lose her curiosity.

25.02.2018, Johanna Gosten

Blaue Zärtlichkeit und rote Gewalt

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Wie die roten Wellen an die Küste der iranischen Insel Hormus, so bricht das Leben schonungslos über Hendi und Hormoz hinweg. In der Hoffnung nun Arbeit zu finden werden die beiden jungen Menschen verheiratet. Aus Unsicherheit wird Zuneigung, doch ihr Weg wird nicht leicht sein. Abbas Amini ergänzt das Generation Programm um den bewegenden, einzigartigen und starken Film „Hendi va Hormoz“.

 Die Geschichte über Hendi und Hormoz ist nicht frei erfunden, sie basiert auf dem Leben der Einwohner der Insel Hormus. Unter der Herrschaft der Portugiesen war die iranische Insel einer der wichtigsten Handelsplätze am Arabischen Meer, doch schon nach der Eroberung durch die Perser 1622 verfiel das Handelszentrum. Trotz des großen Vorkommens an bunten Erden (Hämatit) herrscht noch heute eine große Arbeitslosigkeit auf der Insel Horus.

Die starke, bunte Bildsprache des Filmes steht im Kotrast zu der Traurigkeit der Geschichte. Hendis blaues Kopftuch strahlt neben dem rotgefärbten Meer, so wie die kurzen Glücksmomente zwischen der Schwere des Alltags. Durch die kleinen, bunten Momente der Hoffnung entsteht eine schöne Dynamik. Außerdem schließt man durch sie die Beiden jungen Menschen ins Herz und nimmt emotional an dem Geschehen teil. Über Grenzen und Alter hinweg kann man sich mit Hendi und Hormoz identifizieren und wird Teil dieser schüchternen und bezaubernden Beziehung. Doch wie ein Vorbote des Schicksal taucht immer wieder die rotgefärbte Erde auf und verschmitzt bei der Berührung mit Wasser zu einem blutroten Strom der Gefahr.


Trotz der Ruhe die durch die einfühlsamen Bilder entsteht, schafft es Abbas Amini die Spannung in seinem Film aufrecht zu erhalten und den Zuschauer zu fesseln. Die natürliche Spielweise der Schauspieler ist überzeugend und kann dadurch erklärt werden, dass Alle im Film auftretenden Menschen im Grunde sich selbst spielen. Sie leben auf der Insel Hormus und werden mit dem selben Problemen wie Hendi und Hormoz konfrontiert. Auch wenn sie eine fiktive Geschichte präsentieren, so könnte es eigentlich auch ihre eigene sein.

Untermalt von traditioneller Zupfmusik und dem besonderen Klang der persischen Sprache (Farsi) gibt dieser Film Einblick in eine uns fremde Kultur. „Hendi va Hormoz“ ist einfühlsam und bewegend, spannend und ästhetisch zur selben Zeit.
Es sind Filme wie dieser, von denen wir viel zu wenig in den deutschen Kinos sehen.
Es sind Filme wie dieser, die die Berlinale ausmachen und uns verzaubern und in Staunen setzten.
Es sind Filme wie dieser, die mir auch nach langer Zeit noch im Gedächtnis bleiben.

25.02.18, Liv Thastum



Blue tenderness and red violence


Like the red waves on the coast of the Iranian island of Hormus, life mercilessly breaks over Hendi and Hormoz. In the hope of finding work, the two young people get married by their parents. Uncertainty becomes affection, but their way will not be easy. Abbas Amini complements this years Generation programme with his moving, unique and powerful film "Hendi va Hormoz".

The story about Hendi and Hormoz is not totally fictional, it is based on the life of the inhabitants of the island of Hormus. Under Portuguese rule, the Iranian island was one of the most important trading centres on the Arabian Sea, but already after the conquest by the Persians in 1622, the trading centre fell into disrepair. Despite the large occurrence of coloured earths (Haematite), there is still great unemployment on the island of Hormus.

The strong, colourful pictorial language of the film stands in cotrast to the sadness of the story. Hendis blue headscarf shines bright beside the red colored sea, just like the short moments of happiness between the heaviness of everyday life. The small, colourful moments of hope create a beautiful dynamic. They also help the viewer to connect strongly with the two young people and to emotionally participate in the events. Beyond borders and age, one can identify with Hendi and Hormoz and become part of this shy and enchanting relationship. But like a harbinger of fate the red-coloured earth appears again and again and becomes, combined with water, a blood-red stream of danger.

Despite the calmness created by the sensitive images, Abbas Amini manages to maintain the tension in his film and captivate the audience. The actors' natural way of acting is convincing and can be explained by the fact that all people appearing in the film basically play themselves. They live on the island of Hormus and are confronted with the same problems as Hendi and Hormoz. Even if they present a fictional story, it could actually be their own.

Accompanied by traditional plucked music and the special sound of the Persian language (Farsi), this film provides an insight into a foreign culture. „Hendi va Hormoz" is sensitive and moving, exciting and aesthetic at the same time. 
This is one of those films we see far too little of in German cinemas.
This is one of those films that shape the essence of the Berlinale Filmfestival, enchant and amaze us. This is one of those films which I will remember for a long time.

25.02.18, Liv Thastum

Wangdraks Gummistiefel

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Nichts wünscht sich der kleine Wangdrak sehnlicher als ein Paar Gummistiefel. Denn in seiner Klasse haben alle welche. Nur er muss mit ausgetretenen Turnschuhen durch die Pfützen stapfen. Nicht einmal sein Aufziehfrosch kann ihn aufheitern. Und als der Sturm endlich wieder für Regen sorgen soll, arbeiten die Träume der Kinder gegen die Sorgen der Erwachsenen.

In einem kleinem Dorf in der Provinz Qinghai spielt der Film Wang Zha de yuxue, zu Deutsch „Wangdraks Gummistiefel“. Das Langfilmdebüt von Lhapal Gyal nimmt uns mit auf eine Reise, die uns zwar weit entfernt von Deutschland nach Tibet führt, sich aber mit den Wünschen und Träumen der Kinder befasst, die doch überall auf der Welt gleich oder zumindest ähnlich sind. Mit ruhigen Aufnahmen und einem Fokus auf dem jungen Hauptdarsteller, insbesondere in den Momenten, in denen ihn niemand anders zu beachten scheint, malt Gyal ein klares Bild der rudimentären Lebensweise, die in Tibet und China mitten auf dem Land noch vorherrscht.

Es geht um den Konflikt zwischen Religion und neuer Technologie. Um Armut. Und insbesondere um die Hoffnungen eines Jungen, dem selten auch nur ein neues Spielzeug vergönnt ist, nicht einmal die essentiellen Gummistiefel. Drukhla Dorje überzeugt in seiner Rolle als Wangdrak, vermutlich vor allem weil Gyal sich die Zeit nahm, ihn wirklich kennenzulernen und seine Lebensweise zu verstehen. Eher passte er den Charakter seinem Hauptdarsteller an als umgekehrt, um diese Authentizität zu erzeugen, und das ist wahrhaftig gelungen.

Wang Zha ist einer dieser Filme, die weniger durch ihre geladene Handlung strahlen als vielmehr durch das Einfangen der Situation, des alltäglichen Lebens in einem weit entfernten Land, in diesem Fall Tibet. Obwohl es eher um den jungen Wangdrak geht, so wird auch die Situation der Eltern und anderen Erwachsenen im Dorf verständlich eingefangen. Wir begleiten die Kinder in die Schule und können doch den Versammlungen beiwohnen, in denen diskutiert wird, ob man sich finanzielle Hilfe für eine Hagelmaschine holt und ob die Reihenfolge der Felderbewässerung dieses Jahr geändert werden soll. Und obwohl man als Zuschauer über alles im Bilde ist, so scheint doch die Kommunikation zwischen Erwachsenen und Kindern nicht wirklich vorhanden zu sein, sodass es am Ende zu einer Situation kommt, in der beide Seiten mehr oder weniger unbewusst gegeneinander arbeiten, weil die Erwachsenen mal wieder nicht zuhören und den Kindern auch nicht genügend erklären.

Zwar ist Wang Zha ein ruhiger Film, jedoch wird er nicht langweilig, wenn man sich entsprechend darauf einlässt. Wem das nicht gelingt, könnte einige Längen im Film wahrnehmen, die aber durch die authentische Darstellung des Dorfalltags wieder wettgemacht werden.

25.02.2018, Johanna Gosten



Wangdrak's rain boots


Little Wangdrak wants nothing more than a pair of rubber boots. Because in his class everyone has them. Only he has to stomp through the puddles with worn sneakers. Not even his wind-up frog can cheer him up. And when the storm is finally supposed to bring rain again, the children's dreams work against the worries of the adults.

In a small village in the province of Qinghai, the film Wang Zha de yuxue, in English "Wangdrak's rubber boots", takes place. The feature film debut of Lhapal Gyal takes us on a journey that takes us far away from Germany to Tibet, which deals with the wishes and dreams of the children, who are the same or at least similar all over the world. With quiet shots and a focus on the young protagonist, especially at moments when no one else seems to notice him, Gyal draws a clear picture of the rudimentary lifestyle that still prevails in Tibet and China in the middle of the countryside.

It is about the conflict between religion and new technology. Poverty. And especially about the hopes of a boy who seldomly gets a new toy, not even the essential rubber boots. Drukhla Dorje is convincing in his role as Wangdrak, presumably because Gyal took the time to really get to know him and understand his way of life. Rather than the other way round, he adapted the character to his leading actor to create this authenticity, and it was a real success.


Wang Zha is one of those films that shine less through their charged plot than through capturing the situation of everyday life in a far-away country, in this case Tibet. Although it is more about the young Wangdrak, the situation of the parents and other adults in the village is captured as well. We accompany the children to school, but we can still attend the meetings where they discuss whether to get financial support for a hail machine and whether the order of the field watering should be changed this year. And although as a spectator you are aware of everything, the communication between adults and children does not really seem to exist, so that in the end there is a situation in which both sides work more or less unconsciously against each other, because the adults do not listen and do not explain enough to the children.

Although Wang Zha is a quiet movie, it doesn't get boring if you let yourself in on it. If you don't succeed, you could see some lengths in the film, but they are made up for by the authentic depiction of Tibetan daily life.

25.02.2018, Johanna Gosten

Eine berührende Zuneigung zu Tauben

Eine Filmkritik zu Güvercin

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Yusuf liebt seine Tauben über alles. Er teilt sich ein Dach mit ihnen, schläft sogar dort oben. Er bringt ihnen eine Liebe und Fürsorglichkeit entgegen, wie er sie keinem anderen Menschen gegenüber empfindet. Doch niemand scheint ihn zu verstehen, denken sie doch, er sei ohne die Vögel besser dran.

Ich muss zugeben, dass mir Tauben nie sonderlich viel bedeutet haben. Banu Sıvacı als Regisseurin jedoch schafft es, jedem Yusufs Liebe und Fürsorglichkeit für diese Vögel nahe zu bringen. Wie er sie streichelt, sie füttert und pflegt und wieder aufpäppelt, kann man nicht anders, als zu schmunzeln und seine tiefe Verbundenheit nachzuempfinden. Ebenso wie man mit ihm leidet, wenn seinen Tauben etwas zustößt und wenn er sich durch äußere Umstände nicht so um sie kümmern kann, wie er gerne würde.

Die menschenunwürdigen Zustände, in denen der Protagonist von seinem Bruder zur Arbeit gezwungen wird, zeigen dem Publikum eine Aussichtslosigkeit auf, die nur schwer zu ertragen ist. Gleichzeitig übt Banu Sıvacı Kritik an den Arbeitsumständen aus, wenn die Arbeiter den ganzen Tag ohne Atemmaske im gesundheitsschädigen Staub eines abgerissenen Hauses arbeiten und dort sogar auf Holzbrettern die Nacht verbringen sollen.

In beobachtenden Close-Ups kann man dabei jede Regung Yusufs genauestens mitverfolgen, sehen, wie sich die Sorge um seine Schützlinge in seinen Augen spiegelt und ihn die Angst, dass ihnen in seiner Abwesenheit etwas zugestoßen sein könnte, fast um den Verstand bringt. Selten habe ich eine herzzerreißendere Szene erlebt, als ihn in seiner Trauer um die Tiere. Dabei ist der Film in seiner ruhigen Darstellung der Zuneigung Yusufs keineswegs eintönig, im Gegenteil jedoch kurzweilig und gut durchdacht.
Ein starkes Ende bestätigt die Gewissheit, dass er und seine Tauben zusammengehören und betont, dass man an seinen Träumen festhalten sollte.

Güvercin überzeugt durch die publikumsnahe und verständliche Darstellung des Protagonisten in seiner Verbundenheit für die Tauben, die auch auf die Zuschauer übertragen wird. Bedrückend realistisch klärt Banu Sıvacı über die Arbeitswelt von Geringverdienern auf, die keine andere Wahl haben, als sich gesundheitsschädlicher, körperlich auslaugender Arbeit auszusetzen, um ihre Familien ernähren zu können. Die Handlung berührt, stimmt einen trotz aller Rückschläge allerdings hoffnungsfroh und voller Empathie für diesen Einzelgänger verlässt man den Saal.

25. Februar 2018, Sarah Gosten


A Capturing Love for Pigeons


Yusuf loves his pigeons more than anything. He shares a roof with them, even sleeps up there. He shows them a love and care that he does not feel towards anyone else. Nobody seems to understand him, though; they think he is better off without the birds.

I must admit that pigeons never meant much to me. However, director Banu Sıvacı manages to show everyone how Yusuf loves the animals and takes care of his birds. How he caresses them, feeds and nurtures them and lifts them up again makes the audience smile and feel his deep attachment. Just as one suffers with him when something happens to his pigeons, when he cannot take care of them, as he would like to.

The inhumane conditions in which his brother forces the protagonist to work show the audience hopelessness that is hard to bear. At the same time, Banu Sıvacı criticises the working conditions of workers having to do hard labour by carrying rocks all day long without breathing masks in the harmful dust of a torn house and even spend the night there on wooden boards.

In observational close-ups, one can follow Yusuf's every impulse closely, see how the concern for his protégés is reflected in his eyes and how the fear that something might have happened to them in his absence almost makes him lose his mind. Rarely have I seen a more heart-breaking scene than in his mourning for the animals. In its calm portrayal of Yusuf's affection, the film is by no means monotonous, but on the contrary entertaining and well thought-out.
A strong ending confirms the certainty that he and his pigeons belong together and emphasizes that you should hold on to your dreams.

Güvercin convinces with its close and understandable presentation of the protagonist in his affinity for the pigeons, which is also transmitted to the audience. Banu Sıvacı informs depressingly realistically about the working world of low-income earners who have no choice but to expose themselves to harmful, physically exhausting work in order to be able to feed their families. The action touches the audience; despite all the setbacks, though, you leave the hall full of hope and empathy for this loner.

25th February 2018, Sarah Gosten

Von der Liebe eines Sohnes zu seinem Vater


In Retablo lernt man einiges, besonders darüber, dass eine Eltern-Kind-Liebe anderen Gesetzen folgt als die eines Paares. Und dies besonders, wenn andere Probleme und das alltägliche Leben eine viel größere Rolle spielen. Oft, wenn ich Filme aus Ländern sehe, in denen viele Leben anders verlaufen als hier, bekomme ich das Gefühl, dass viele Paare eher eine Co-Existenz führen. Es ist keine tiefgründige Liebe, mehr ein stilles Einvernehmen darüber, dass man für einander sorgt. Darüber, dass z.B. der eine den Haushalt zusammenhält und der andere das Geld nach hause bringt. Das heißt natürlich aber nicht, dass es sowas hierzulande nicht auch gibt, jedoch wirkt es anders...

Segundo's Eltern sprechen nicht viel miteinander und er verbringt viel mehr Zeit mit seinem Vater. Denn er hilft diesem beim fertigen von Altarretabel, denn dieser ist ein angesehener Künstler. Die Eltern sehen sich hauptsächlich zu den Mahlzeiten und abends im Bett. Doch dort kommt keine Romantik auf, besonders nicht wenn Anatolia ihren Mann Noé aufweckt und ihn auffordert sie zu...

Mir persönlich ist "Retablo" mit 101 min zu lang, denn vieles hätte auch kürzer erzählt werden können. Jedoch ist das ja auch immer Geschmackssache, denn "Retablo" erhielt gestern abend die "Lobende Erwähnung" der Jugendjury.
Meine persönlichen Gedanken zu diesem Film sind wie folgt: dieser Film ist durchaus sehenswert, denn die Themen sind unglaublich komplex. Und mir wird wieder einmal klar, dass die Akzeptanz und Offenheit, gegenüber Themen wie der Homosexualität, die hier viele in sich tragen, ein unglaubliches Glück sind. Berlin ist eine der besten Städte um diese Akzeptanz zu leben und zu erleben. Desweiteren hoffe ich, dass die Akzeptanz hierzulande auch noch weiter steigen wird!
Doch leider ist genau das, was hier immer mehr zur Normalität wird, in anderen Ländern eine bloße Absurdität, die mit reiner Abneigung und Intoleranz behandelt wird! Das wird deutlich durch die Reaktionen der Dorfgemeinschaft, die davor größte Achtung vor Noé hatten und durch die bloße Wut und Abneigung, die seine Frau zeigt, als sie die Wahrheit erfährt.
Eine endgültige Enttscheidung zu treffen fällt mir schwer, denn ich finde, dass "Reatblo" durchaus sehenswert ist, aber andere Filme waren für mich preiswürdiger. Während ich diesen Artikel jedoch geschrieben und den Film für mich nochmal reflektiert hab, ist mir erst aufgefallen welch wertvolle Aspekte dieser Film in sich vereint! Und was geht damit einher...? Für mich ist es die Chance, dass z.B. in Peru ein neues Bewusstsein geschaffen und etabliert werden kann. Dafür, dass Diversität gut und wichtig ist und welch schlimme Folgen fehlende Akzeptanz haben kann!

24.2.2018, Mia